Sich dem über 100-jährigen Erbe ihres Familienbetriebs stets bewusst, schlagen Henrike Winbeck und ihr Neffe Sebastian Lösing die Brücke von der Tradition zur Moderne. Bodenständig, regional verwurzelt und mit Freude an Geselligkeit führen sie ihren Landgasthof inmitten des Rottaler Golf- und Thermenlandes in vierter bzw. fünfter Generation. Angefangen hat vor über einem Jahrhundert alles mit dem Kauf eines Anwesens, das vor allem landwirtschaftlich genutzt wurde, aber schon eine Gastwirtschaft dabei hatte …
Wann und in welcher Form wurde euer Betrieb gegründet?
Henrike: Unser Unternehmen fand 1919 seinen Anfang, als meine Urgroßeltern unser heutiges Anwesen in Holzham bei Bayerbach kauften. Seitdem wurde es von Generation zu Generation weitergegeben. Ursprünglich war der Betrieb vor allem landwirtschaftlich geprägt, doch auch die Gastwirtschaft und die Bewirtung der Holzhamer Hütte am Karpfhamer Fest gehörten damals schon dazu. Von meinen Urgroßeltern ging das Familienunternehmen an meine Großeltern, Hans und Therese Mittendorfer, danach an meine Mama und meinen Papa, Sebastian und Martha Winbeck. Dann habe ich übernommen und 2020 ist mein Neffe Sebastian Lösing mit eingestiegen und wir leiten den Betrieb seitdem gemeinsam.
Gibt es etwas, das euch aus dem Aufwachsen mit dem Landgasthof besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Sebastian: Dass man immer unter Leuten ist. Das Gesellige!
Henrike: Auf jeden Fall, wobei meine Kindheitserinnerungen vom Landgasthof noch ganz anders sind. Damals war das Wirtshaus mehr Nebensache und die Landwirtschaft noch das Hauptgeschäft. In meiner Kindheit hat sich das dann erst gewandelt, als die Thermalbäder und damit der Tourismus in unsere Region gekommen sind. Damals wurde bei uns vermehrt auf Gastronomie und Zimmer umgestellt und die Landwirtschaft ist in den Hintergrund getreten. Früher war es noch so, dass wir unseren großen Tisch in der Küche hatten und die Stammgäste, die während des Tages für ein Bier, eine Brotzeit oder ein Essen kamen, bei uns in der Küche gesessen sind.
Sebastian: (lacht) Heute könnte man sich das gar nicht mehr vorstellen.
Henrike: Stimmt, damals war das noch ganz normal.
Wie würdet ihr euer Unternehmen in 3 Worten beschreiben?
Henrike: Bodenständig.
Sebastian: Familiär und regional.
Was ist euch wichtig? Was sind eure Werte und eure Philosophie?
Sebastian: Unsere Werte sind grundsätzlich wie bei jedem Familienbetrieb. Zusammenhalt, Gemeinschaft. Auch wenn nichts mehr da wäre, auf die Familie kannst du dich verlassen. Da gibt es natürlich auch mal Meinungsverschiedenheiten, aber letztendlich weißt du, dass du, durch alle Lebenslagen, Menschen an deiner Seite hast, die dich unterstützen. Es wird immer zusammengeholfen.
Henrike: Auch eine Philosophie, die ich schon von den Generationen vor mir übernommen habe, ist, dass man sich regional orientiert, auf die Einheimischen und einen Stammtisch schaut und diese Treue und regionale Verbundenheit wertschätzt. Selbst wenn sich die Jahre über wahnsinnig viel verändert, behalten wir die Wirtshauskultur und unsere Region immer im Blick. Wir wollen nicht alles anders und neu machen, sondern weiterhin auch die traditionellen Werte, die uns ausmachen, pflegen …
Sebastian: … und schätzen, was wir haben und wo wir herkommen – unser Daheim und unsere Region eben.
Was unterscheidet euch von anderen in eurer Branche?
Sebastian: Ich glaube, es ist die größte Bestätigung und das größte Kompliment, wenn die Leute sagen – was natürlich auch mit der Verdienst der Generationen vor uns ist – dass es einfach gutes Essen bei uns gibt. Dass die Preis-Leistung stimmt. Wer sich also gutes Essen, einen gepflegten Tisch und Service mit anständigen Leuten wünscht, der ist bei uns richtig. Nichts Ausgefallenes, sondern bewährte und beliebte Qualität.
Henrike: (nickt) Wir brauchen kein großes Drumrum und Schnickschnack. Es gibt genug andere, die das in ihren Unternehmen umsetzen, sich wohl damit fühlen und das machen sollen. Für uns ist das nichts, wir fühlen uns im klassischen, regionalen Gastroambiente am Wohlsten. So müssen alle wissen, wo sie hingehören und was sie können. Und – wie schon gesagt – macht uns bodenständige, familiäre Gastronomie aus.
Wo seht ihr euer Unternehmen in den kommenden Jahren?
Sebastian: Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir auch die nächsten Jahrzehnte unseren Mitarbeitenden als Betrieb eine Heimat geben können. Familien, Müttern oder Vätern, die sich bei uns geborgen und heimisch fühlen und nicht Angst haben müssen, in einer schlechten Zeit gleich wieder ausgestellt zu werden. Wir wollen ein familiäres Verhältnis zu unserem Team schaffen, was in größeren Betrieben auf eine ähnliche Weise gar nicht möglich ist. Das war auch bei den Generationen vor uns schon so. Es hat Fälle gegeben, in denen man bei Not und Problemen über die Arbeit hinaus füreinander da war. Das ist etwas, das mit ganz oben auf meiner Prioritätenliste steht, unabhängig von irgendeinem Geschäftsgang oder finanziellen Aspekten, einfach anständig mit den Leuten umzugehen und sie immer wertzuschätzen. Meistens kriegst du dann automatisch das Doppelte zurück.
Was bedeutet der Begriff Tradition für euch?
Sebastian: Ich weiß definitiv, was das für mich bedeutet. Für mich heißt Tradition, sowohl Werte als auch Dinge zu pflegen und zu ehren, die Generationen vor uns gelebt und aufgebaut haben. Natürlich verändern sich Werte und Umstände in einer gewissen Art und Weise, aber Tradition bedeutet, das zu schätzen, was die Leute vor uns für uns aufgebaut haben.
Henrike: Genau, es verändert sich, aber die Grundwerte sind eigentlich immer die Gleichen. Und für mich bedeutet Tradition auch, nicht immer der Idee hinterherzurennen, dass man das Radl neu erfinden muss. Letztendlich gibt es irgendwann kein Radl mehr, das neu erfunden werden kann. Natürlich ist es gut, sich Gedanken zu machen, aber dabei eigenen Überzeugungen treu zu bleiben.
Und was bedeutet es für euch, mit der Zeit zu gehen?
Sebastian: Im Grunde ist es, wertzuschätzen, was da ist und nicht immer auf Biegen und Brechen etwas Neues machen zu wollen – nur um des Neuen willen. Es geht darum, traditionelle Werte an die veränderten Umstände anzupassen.
Henrike: (nickt) Und darum, wie man Altbewährtes mit den Veränderungen ins Moderne verbinden kann und sich neuen Möglichkeiten und Anfragen nicht verschließt. Wenn ich zum Beispiel an die Zimmervermietung denke – früher hat kein Mensch nach deinem Golfplatz gefragt, heute haben wir im Sommer viele Golfspieler bei uns und das ist ganz selbstverständlich.
Sebastian: Heute muss man sich immer wieder neuen Situationen stellen, die von außen an einen herangetragen werden, weil sich alles schneller verändert – sei es Politik oder auch die Gesellschaft an sich – es heißt dann für uns, eine Brücke zu schaffen zwischen Tradition und Moderne.
Was mögt ihr besonders an eurem Beruf?
Sebastian: Definitiv den Umgang mit Menschen und die Gespräche. Sei es ein ernsthafter Austausch oder auch mal ein lockerer “Schmatz”. Es ist einfach die Verbindung zu den Menschen, die zu uns kommen. Daran gewöhnt man sich auch irgendwann, immer unter Leuten zu sein und dass sich immer was rührt – ohne wäre es langweilig.
Henrike: Bestes Beispiel dafür ist eigentlich unser Aboessen. Natürlich ist das nicht der Weisheit letzter Schluss, aber das Schöne an diesem Angebot ist, dass wir ein paar Leute haben, die jeden Tag zum Aboessen kommen, gell? (Sebastian nickt). Das sind ein paar ältere Herrschaften aus der Umgebung, die sich über die Gesellschaft bei uns freuen. Sie kommen zusammen und unterhalten sich bei gutem Essen. Wenn wir Ruhetag oder Betriebsurlaub haben, fehlt ihnen schon was. Es ist schön, dass unser Landgasthof ein Ort der Begegnung und der Gemeinschaft ist.
Sebastian: Das hat sich tatsächlich auch herumgesprochen, unser Aboessen am Mittag. Da fahren teilweise die Handwerker aus anderen Ortschaften her, weil sie wissen, da sind auch andere wie wir – da haben wir eine Gemeinschaft, können uns unterhalten und austauschen.
Apropo Essen: Was ist euch bei der Auswahl eurer Zutaten für die Speisekarte wichtig?
Henrike: Wir legen großen Wert darauf, dass wir unser Fleisch und unsere Zutaten nicht von irgendwoher, sondern von unseren regionalen Lieferanten beziehen, die wir kennen und bei denen wir seit langem auf Qualität vertrauen können. Alles, was wir brauchen, kriegen wir von unseren regionalen Lieferanten. Wir sind dagegen, unzählige Waren durch die ganze Welt zu kutschieren, wenn wir so tolle Produkte und Erzeuger vor Ort haben.
Sebastian: Der regionale Lieferant ist es ja auch, der in der Not einspringt oder kurzfristig liefern und reagieren kann.
Davon, welche leckeren Gerichte mit den regional erworbenen Zutaten zubereitet werden, überzeugen Sie sich am besten direkt selbst, bei einem Besuch im Landgasthof Winbeck in Holzham.